[Prota-Interview] Hannah und William

Ich durfte die beiden tollen Protagonisten des Buches Das wilde Herz des Meeres von Elena Morgan / Britta Strauß interviewen. Und Britta hat sooo toll geantwortet für ihre beiden Protas. Vielen, vielen Dank, liebe Britta 🙂


Hallo Hannah und William. Schön, dass dieses Interview endlich geklappt hat. Danke, Hannah, dass du einen Weg gefunden hast, mich in eure Zeit zu hexen. Da ich ja aus dem Jahr 2017 komme und nicht aus 1771 – was jetzt ist – entschuldige ich mich für meine seltsame, neue Sprachweise.

Hannah: Herzlichen Willkommen im Jahr 1771. Jetzt kann ich es dir ja verraten: Es war mein erster Versuch. Schön, dass es geklappt hat. Und wegen der Sprache mach dir mal keine Sorgen. Schließlich hatte ich ausgiebig Gelegenheit, all diesen ungehobelten Kerlen ein paar Umgangsformen beizubringen. Dazu gehört auch die Sprache meiner Zeit.

William: *runzelt kritisch die Stirn* Du hast sie hierher gehext, ohne zu wissen, ob es funktioniert?

Hannah: Ich war mir relativ sicher.

William: *schüttelt den Kopf* Relativ. Nun gut. Du hattest ja schon immer den Drang, dich ins Unbekannte zu stürzen. Willkommen an Bord der Scowerer, Medea. Es ist mir eine Ehre. Und ich hoffe sehr, dass Neptuns Rache dich verschonen wird.

Timothy: *ruft dazwischen* Da würde ich mir keine Sorgen machen. Die See ist glatt wie der Hintern einer jungen Dirne. Seht euch bloß mal die Segel an! Sie hängen schon wieder wie die Titten meiner Großmutter.

Hannah: Timothy! Tut mir leid, Medea. Ich konnte nicht jeden an Bord erziehen, wie du gerade merkst.

Haha, das ist doch nicht schlimm. Damit komme ich schon klar, keine Sorge 😉 Ich habe erstmal eine Frage an dich, William. Du kommst ja aus dem Jahr 1717. Wie war es, in unser Jahrhundert zu kommen und welche waren die gravierendsten Unterschiede zu deinem Jahrhundert?

William: Die Menschen rochen deutlich besser. Die Frauen waren erfreulich spärlich gekleidet und …

Hannah: Ja, deswegen hielt er auch jede Frau für eine Dirne. Inklusive mir und meiner Schwester. Dieser Kerl dachte ernsthaft, er wäre in einem Bordell aufgewacht.

William: Ich habe nur Rückschlüsse gezogen, die mir damals logisch erschienen. Was sonst noch bemerkenswert war? Nun ja, niemand entleerte seinen Notdurft-Eimer aus dem Fenster. Das war wirklich eine erfreuliche Verbesserung, denn die Leute meiner Zeit warteten gerne mit der Entleerung, bis jemand vorbeilief. Außerdem hatte ich darauf gehofft, dass Hannah die Dusche aus ihrem Gemach hierher auf das Schiff hext. Hast du schon einmal unter einem warmen Wasserfall inmitten des Dschungels von Tahiti gestanden? Genauso hat es sich angefühlt, unter dieser sagenhaften Erfindung zu stehen. Leider scheitert sie daran, Gegenstände aus der Zukunft hierher zu hexen. Was hat mich sonst noch beeindruckt? Ah ja, das Essen. Ich kannte bisher nur den Fraß aus zwielichtigen Spelunken und Hafenbordellen, in denen der Koch zuerst den Schweinestall ausmistete, sich danach ausgiebig den Ausschlag am Hintern zerkratzte und anschließend das Rattenfleisch zerschnitt.

Uhm… da bin ich aber schon ganz froh, im 21. Jahrhundert zu leben *lach*. Aber jetzt mal die gegensätzliche Frage dazu an Hannah: Wie war es für dich, auf der Scowerer im 18. Jahrhundert zu leben? Welche wichtigsten Unterschiede gab es?

Hannah: Die hygienischen Verhältnisse waren natürlich eine Katastrophe. Von Waschen hielt die Besatzung gar nichts, den Begriff Zahnbürste hatten sie noch nie gehört und wenn einem die Nase lief, schneuzte er einfach in seinen Hemdsärmel hinein. Noch dazu vergaßen manchmal selbst die eingefleischten Seebären, dass man niemals gegen den Wind pinkelt. Es war nicht einfach, inmitten einer Horde stinkender, ungehobelter, flohverseuchter, Rum saufender und furzender Kerle zurechtzukommen, aber William war mir eine große Hilfe. Seiner Erziehung sei Dank war er stets reinlicher als der Großteil seiner Crew, außerdem hat er mich tatkräftig dabei unterstützt, die Männer halbwegs zu erziehen. Sie wissen jetzt, dass es keineswegs gesundheitsschädlich ist, ab und zu die Dreckkrusten abzukratzen – und dass Kleidung waschbar ist. Natürlich haben auch meine heilenden Kräfte dazu geführt, dass sich die Zustände auf dem Schiff verbessert haben. Vermutlich gab es niemals eine gesündere Piratencrew als die der Scowerer.

William: Zweifellos! Obwohl ich mich bis heute nicht daran gewöhnt habe, dass meine Mannschaft nach Tahiti-Seife und Kokosnuss duftet.

Eine seltene Angelegenheit. Eine duftende Piratencrew 😀 Hannah, wie hast du das eigentlich mit deinem morgendlichen Kaffee gemanaged? Weil wir sind ja heutzutage eine sehr kaffeeabhängige Gesellschaft…?

Hannah: Ach, das war nur in den ersten Monaten ein Problem. Natürlich habe ich das Gebräu schmerzlich vermisst, aber eine Ladung Gischt und ein heißer Pirat am Morgen machen genauso munter. Ein halbes Jahr nach unserem Sieg gegen Marifa liefen wir in den Hafen von Mokka ein, und wie der Name schon ganz richtig vermuten lässt, war diese arabische Stadt das Handelszentrum für Kaffee. Von Äthiopien aus gelangten die Bohnen im 14. Jahrhundert nach Arabien, geröstet und getrunken wurde er dort aber erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Ich hatte das Glück, mir ein paar Säcke vorzüglichen Kaffees zu sichern. Es gibt nichts Besseres, das kann ich dir versichern.

William: Abgesehen davon, morgens von einem heißen Piraten wachgeküsst zu werden.

Hannah: Oh ja. Natürlich.

Timothy: *brüllt über das ganze Schiff* Hat jemand Ferris gesehen? Diese quallenknochige Ausgeburt eines pockennarbigen Knurrhahns hat meinen linken Stiefel geklaut!

Hat dich diese ganze Situation nicht ein bisschen an Fluch der Karibik erinnert? Oder weißt du überhaupt noch, was das ist, wo du doch jetzt schon so lange in der Vergangenheit lebst?

Hannah: Natürlich weiß ich das noch. Inzwischen sind die Bilder meines alten Lebens ein bisschen verblasst, aber die Black Pearl und ihre Crew ist mir in Erinnerung geblieben. Anfangs dachte ich noch jeden Tag: Hannah, meine Güte, du bist in einem Film gelandet. Aber mit der Zeit empfindet man selbst die ungewöhnlichsten Situationen als normal.

William: Manchmal nennt sie mich Sparrow! *zieht eine Augenbraue hoch*

Hannah: Stimmt. Du hast sogar ein Glas voll Dreck.

William: Korrigiere: Das ist kein Dreck, sondern Sand von allen Stränden, auf die wir jemals einen Fuß gesetzt haben.

Hannah: Ja. Es ist ein verdammt großes Glas voll Dreck.

Aber ohne herausgeschnittenes Herz darin, nehme ich mal an 😉 Vermisst ihr zwei Marie und Ruben? Sie waren ja schon beide tolle Menschen…

Hannah: Und wie wir sie vermissen! Ruben war für uns alle ein Leuchtfeuer in dunkler Nacht. Er wusste auf jede Frage eine Antwort.

William: Dumm nur, dass man seine Antworten meistens nicht verstanden hat.

Hannah: Ja, aber sie besaßen stets eine tiefere Bedeutung. Viele Männer glauben, dass er auf dem Schiff herumspukt. Ich traue ihm das durchaus zu. Und meine Schwester … nun ja, es ist schon seltsam, jemanden zu vermissen, der noch nicht einmal geboren ist. Vielleicht ist das Schicksal uns gewogen und hält uns weiterhin jung. Meine Kräfte wachsen von Jahr zu Jahr, womöglich werde ich Marie wiedersehen. Wer weiß das schon?

William: Ganz sicher wirst du das. Sieh dir den alten Büchsenmeister an. Er ist einhundertzwanzig Jahre alt und säuft in den Häfen selbst die Iren unter den Tisch. Beim letzten Hafenaufenthalt hat er zwölf Dirnen …

Hannah: Schon gut! *unterbricht ihn mit einer Handbewegung* So etwas gehört nicht in ein Interview, William! Wer weiß, vielleicht segeln wir im Jahr 2017 noch immer mit der Scowerer über die Meere dieser Welt. Falls Marie Lust hat, könnten wir sie ja mitnehmen. Und das Schiff mit einem Motor ausstatten.

William: Niemals! Du machst aus meiner Scowerer nicht eine dieser stinkenden, lärmenden Maschinen.

Und apropos Marie. Hannah, was ist eigentlich zwischen dir, ihr und eurem Vater passiert? Weil irgendwas steht ja zwischen euch.

Hannah: Marie hat niemals den Tod unserer Mutter verwunden. Damals war ich noch ein Kind und hatte gehofft, dass wir uns gegenseitig trösten und stützen. Aber meine Schwester hatte zu viel Angst. Sie ist verschwunden und hat uns im Stich gelassen. Heute weiß ich, dass Marifa nicht ganz unschuldig daran war, aber damals hat es mich und vor allem meinen Vater tief getroffen. Noch dazu hat meine Schwester niemals Interesse daran gezeigt, die Risse zwischen uns zu kitten. Vergeben habe ich ihr trotzdem. Und sie fehlt mir entsetzlich. Genauso wie mein Vater. Ich hoffe wirklich, dass ich die beiden wiedersehe.

Das hoffe ich auch für dich. Wie steht ihr beide eigentlich zu Marifa? Habt ihr ihr inzwischen vergeben?

William: Dank Hannah habe ich gelernt, zu verzeihen. Mir ist klar geworden, dass ich ebenso schuldig bin wie Marifa. Sie war ein Wesen, das durch Grausamkeit und Hass geformt wurde, genauso wie ich. Ja, ich habe ihr vergeben. Ihre Seele war nicht schlechter oder verdorbener als meine, nur war mir das Glück zuteil, geheilt zu werden.

Hannah: Dem kann ich nichts mehr hinzufügen. Ja, auch ich habe ihr inzwischen vergeben. Obwohl es sich am Anfang falsch angefühlt hat. Aber mit der Zeit gewinnt man Abstand zu den Dingen und sieht, wie sie wirklich gestrickt sind.

Ihr beide und die Mannschaft seid ja schon sehr weit herum gekommen. Was ist euer Lieblingsort auf dieser Welt?

William: Eindeutig Tahiti! Wunderschöne Strände, wunderschöne Nächte, wunderschöne Frauen.

Hannah: Entschuldige mal.

William: Natürlich sitzt die Schönste genau neben mir. Aber mal ehrlich, wo würdest du lieber deinen Lebensabend verbringen als in Tahiti? Sollten wir jemals alt und grau werden, kaufen wir uns ein Haus am Strand und wälzen uns nackt auf Orchideenblüten.

Hannah: Eine verlockende Vorstellung. Aber du wirst dich nicht heimlich davonschleichen, sobald irgendwo ein paar tahitianische Mädchen einen Liebestanz aufführen!

William: *lacht* Wie kannst du das von mir verlangen? Ich bin ein Pirat und werde ewig einer bleiben.

Und was war das schlimmste Erlebnis, das euch je passiert ist?

Hannah: Das war der Moment in den Sümpfen, als ich mir sicher war, dass Marifa mir alles nehmen würde. Alles, wirklich alles. Sogar die Möglichkeit, jemals wieder in meine Zeit und zu meiner Familie zurückkehren zu können. Niemals habe ich mich derart verloren gefühlt. Ich kann es mit Worten schwer beschreiben. Es war, als würde ich selbst zu existieren aufhören, weil dieses Wissen einfach unerträglich war.

William: Das schlimmste Erlebnis war für mich nicht die Tatsache, dass ich damals fast draufgegangen bin. Es war das Gefühl der Hilflosigkeit, Hannah und meine Crew leiden zu sehen. Damals war ich mir sicher, sie alle zu verlieren. Ich habe viel Grausames erlebt. Aber das Schlimmste war dieser Moment, in dem ich mir sicher war, in jeder Hinsicht verloren zu haben. Zumal ich dank Hannah gerade erst gelernt hatte, wieder zu lieben – und damit verwundbar zu sein.

Zum Glück ist es ja gut ausgegangen. Ich habe noch eine letzte Frage an euch, dann könnt ihr gerne weiter segeln mit eurer geliebten Scowerer. Liebt ihr euch immer noch so bedingungslos wie am Anfang?

William: Nein! Noch viel mehr. Ich bin verflucht noch mal süchtig nach diesem vorlauten Weibsbild.

Hannah: Was könnte ich mehr wollen als einen wilden Piraten, ein Schiff und das Meer? Ja, ich bin bedingungslos verliebt. Bis in alle Ewigkeit.

Das klingt sehr schön. Wollt ihr am Ende noch irgendwas meinen Bloglesern mitgeben? Irgendwelche kurzen Worte?

Hannah: Lebt frei und wild und wunderbar.

William: Nehmt, was ihr kriegen könnt, und gebt nichts wieder her.

Haha, okay. Das klingt doch mal nach einem guten Lebensmotto 🙂 Ich danke euch beiden für dieses interessante Interview und wünsche euch noch ganz viel Spaß und Freiheit in eurem ungewöhnlich langen Leben.
Hoffentlich funktioniert der Zauber, der mich zurück in meine Zeit bringen soll, jetzt auch einwandfrei *lach*. Wenn nicht, besegle ich einfach mit euch die Weltmeere und meine Blogleser werden dieses Interview niemals zu Gesicht bekommen.

Hannah: Auch dir vielen Dank, es hat uns sehr gefreut. Allerdings hoffen wir, dass du noch eine Nacht bei uns bleibst. Heute ist Vollmond. Da wird gefeiert.

William: Ha! Sie hat gar keine andere Wahl, als hierzubleiben. Das ist ein Piratenschiff. Zur Not werfe ich sie über meine Schulter und sperre sie bis heute Abend in meiner Kajüte ein.

Hannah: Ja, das kannst du besonders gut. Frauen über deine Schulter werfen.

William: *grinst diebisch* Ich habe gehört, dass Robert und Ferris für unseren Gast aus der Zukunft einen Haka planen. Und Neville hat eine zotige Ballade über eine einäugige Dirne geschrieben.

Hannah: Wie heißt es im Buch so schön: Wenn ein Pirat mit dir Rum trinken will, ist das wie eine Blutsbrüderschaft. Und falls jemand in der Zukunft diese Zeilen gerade liest, habe ich es sogar geschafft, dich in die Zukunft zu hexen.

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